Auslandssemester,  Reise

Breslauer Zwerge

Auch wenn Nysa wunderschön ist, kann es trotz der idyllischen Landschaft auf Dauer recht langweilig werden. Spätestens nach zwei Monaten habe ich als interessierte Studentin doch schon vieles – wenn auch nicht alles – gesehen. Deswegen führt mich mein Weg nach Wrocław (dt. Breslau) – der Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien und die Stadt der Zwerge.

Geschummelte Buspreise

Eines vornweg: Will man oder frau mit dem Bus nach Wrocław, dauert es gut eine Stunde und dreißig Minuten, aber es kann passieren, dass eine Gruppe mit dreizehn Personen die falsche Uhrzeit wählt und auf einmal von einem ohnehin schon überladenden Minibus steht. Gut, dass es auch einen „große Bus“ gibt. Um 07:40 fährt dieser nach Breslau und aktuell ist das auch der einzige Bus, bei dem ich mir sicher bin. Die Fahrt kostet für Studenten bis einschließlich 26 Jahren 12 Złoty, also etwas um die 3 € (Stand 2019). Für ältere Studenten… auch. Es guckt einfach niemand genau auf den Ausweis. Das Wort „Student“ versteht im Grunde jeder und wenn zusätzlich mit dem (Erasmus+)Ausweis hin und her gewackelt wird, dann sowieso. Außer an meinem Anreisetage habe ich im Bus noch nie den vollen Preis gezahlt.

Wo die wilden Zwerge wohnen

Wrocław ist eine wundervoll moderne Stadt. Wie fast jede polnische Metropole trägt auch sie einen Beinamen: „Schlesisches Venedig“. Hier fließt die Odra (dt. Oder) von West nach Ost, um einige hundert Kilometer später die Grenze zu passieren und schließlich eines Tages in der Ostsee zu münden.

Bemerkenswert an Wrocław ist die barocke Altstadtarchitektur, umgeben von einigen sozialistischen Vorzeigebauten bis hin zu modernen Kaufhäusern. Doch wie auch in Nysa ist „alles touristische“leicht zu Fuß zu erreichen. Der Marktplatz beispielsweise befindet sich gerade einmal zwanzig Minuten Fußmarsch vom Busbahnhof entfernt.

Als ich meinen Blick von den barocken Fassaden abwende, ist mir etwas Merkwürdiges ins Auge gefallen: bronzene Zwerge. Überall stehen, sitzen und posieren die einzigartigen kleinen Figuren auf den Gehwegen und dem Marktplatz, an Schaufenstern und sogar auf Laternen.

In der Touristeninformation gibt es sogar eine spezielle Stadtkarte mit den Standorten aller Zwerge. Besucher, die „up to date“ sind, können natürlich auch eine App herunterladen und die Zwerge digital fangen. Dazu bedarf es nicht mal den eigenen Internetzugang, denn Wrocław hat ein recht stabiles, öffentliches WLAN. Pokémon fangen auf Zwergisch.

Arbeit, Spaß und Langweile

Über 600 der kleinen Männer und Frauen gibt es schon in der Stadt und keiner ist wie der andere. So findet sich vor einem Hotel ein kleiner Page mit Gepäckwagen, vor einer Kneipe trägt ein Bärtiger mit spitzem Hut ein Fässchen Bier. Eine Zwergin ist als Touristin unterwegs und fotografiert einen noch kleineren Gnom. Einer liest bei der Universität ein Buch, der nächste surft auf seinem Notebook im Netz. Wrocławs kleine Bewohner sind also auf dem neuesten Stand der Technik.

Im Sommer 2001 tauchten die ersten Zwerge als Projekt der örtlichen Kunsthochschule in der Stadt auf. 2004 wurden zwölf weitere in Auftrag gegeben und 2009 waren es schon 95. Kein Zwerg gleicht dem anderen, jeder kleine Bewohner ist ein Unikat. Ein Zwerg wohnt in Dresden. Er ist Träger beider Stadtwappen und wurde zum Jubiläum der Städtepartnerschaft Wrocław-Dresden an die sächsische Hauptstadt überreicht.

Mehr als Zwerge

Die Stadt hat selbstverständlich noch mehr zu bieten. Unzählige Kirchen sind in der Stadt verteilt, es gibt eine Brücke voller Liebesschlösser, überall gibt es wunderschönes kleine Cafés und Gaststätten. Die Universität ist ebenso ein Besuch wert wie der Japanische Garten oder der Zoo und die Jahrhunderthalle. Einfach alles, was eine Großstadt mit 650.000 Einwohner auszeichnet, ist hier zu finden.

Für mich als begeisterte Radfahrerin ist zudem spannend, dass der EuroVelo-Radweg EV9 („Bernsteinroute“) durch die Stadt führt und natürlich besteht auch die Möglichkeit, entlang der Oder zu wandern, zu radeln oder einfach zu spazieren.